(Perseus kommt nach langer Reise zu Atlas, und bittet um ein Nachtlager.) »Freund«, sprach Perseus, »gilt dir der Ruhm eines großen Geschlechtes etwas, so wisse denn: Juppiter ist der Begründer des meinen, und wenn du Taten bewunderst, dann wirst du die meinen bewundern. Obdach und Ruhe erbitt ich.« Doch jener gedachte der alten Weissagung – am Parnass hatte Themis ihm dieses geweissagt –: »Kommen wird, Atlas, die Zeit, da der Baum seines Goldes beraubt wird, und ein Juppiter-Sohn wird dieser Beute sich rühmen.« Dieses befürchtend hat Atlas den Garten umschlossen mit festen Mauern und ließ ihn behüten von einem riesigen Drachen und hielt alle Fremdlinge fern von seinem Gebiete. »Geh weit fort«, spricht er, »damit der Ruhm deiner Taten, den du erlügst, dich nicht, auch Juppiter nicht dich im Stich lässt«, fügt zu der Drohung Gewalt hinzu und versucht ihn, der zögert und mit sanften Worten kräftige mischt, zu vertreiben. Unterlegen an Stärke – wer wäre denn Atlas an Stärke gleich? –, sprach der: »Nun, weil dir meine Freundschaft nichts wert ist, nimm ein Geschenk an!« und holte von links hervor das von Schlangen starrende Haupt der Medusa, nach rückwärts selber sich wendend. Groß, wie er war, wurde Atlas zum Berg. Denn der Bart und die Haare wachsen zu Wäldern sich aus, Bergjoche sind Schultern und Arme; was das Haupt war zuvor, ist jetzt der Gipfel des Bergs, die Knochen werden zu Stein. Ins Unermessliche wuchs er dann in jegliche Richtung – so, Götter, habt ihr’s bestimmt –, und auf ihm ruhte der ganze Himmel mit all seinen Sternen.
Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, lateinisch-deutsch, übersetzt von Niklas Holzberg, Berlin 2017.
Ovid, Metamorphosen 4,639-662