Ovid, Metamorphosen 2, 814–832
denique in adverso venientem limine sedit
exclusura deum. cui blandimenta precesque
verbaque iactanti mitissima ‘desine’ dixit,
‘hinc ego me non sum nisi te motura repulso.’
‘stemus’ ait ‘pacto’ velox Cyllenius ‘isto’
caelestique fores virga patefecit; at illi
surgere conanti partes, quascumque sedendo
flectimur, ignava nequeunt gravitate moveri.
illa quidem pugnat recto se attollere trunco,
sed genuum iunctura riget, frigusque per ungues
labitur, et pallent amisso sanguine venae;
utque malum late solet immedicabile cancer
serpere et inlaesas vitiatis addere partes,
sic letalis hiems paulatim in pectora venit
vitalesque vias et respiramina clausit.
nec conata loqui est nec, si conata fuisset,
vocis habebat iter; saxum iam colla tenebat,
oraque duruerant, signumque exsangue sedebat.
nec lapis albus erat; sua mens infecerat illam.
(Aglauros, die gegen Gebote der Götter verstoßen hat, wird von der Göttin des Neides heimgesucht. Daraufhin versucht sie, die Liaison ihrer Schwester Herse mit Hermes zu unterbinden, indem sie dem Gott den Zutritt zum Gemach ihrer Schwester versperrt).
Schließlich setzte sie sich, dem Gott, der ankam, entgegen, um ihn auszusperrn, auf die Schwelle. Als dieser mit sanften Worten und schmeichelnden Bitten sie drängte, da sprach sie: »Hör auf, ich werd mich von hier nur dann, wenn ich dich verjagt hab, entfernen.« »Dabei«, sprach der schnelle Kyllenier, »soll es denn bleiben«, und tat auf die Tür mit der himmlischen Rute. Doch sie, die aufzustehen versucht, kann nicht die Teile des Körpers, die man beim Sitzen abbiegt, bewegen vor lähmender Schwere. Freilich kämpft sie darum, sich mit aufrechtem Rumpf zu erheben, aber das Kniegelenk, das ist steif, durch die Nägel der Zehen schleicht ihr Kälte, die Adern verlieren ihr Blut und erbleichen. Und wie der Krebs, das nicht zu heilende Übel, sich kriechend ausbreitet und die gesunden Teile den kranken hinzufügt, so kam tödlicher Winter allmählich ihr in die Brust und schloss die Atemwege ihr zu, die Wege des Lebens. Weder zu sprechen versuchte sie, noch wär ein Weg für die Stimme, hätt sie’s versucht, da gewesen. Den Hals umfasste der Stein schon, hart war geworden ihr Mund; da saß sie als lebloses Standbild. Und nicht weiß war der Stein; verfärbt hatte sie ihre Seele.
Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, lateinisch-deutsch, übersetzt von Niklas Holzberg, Berlin 2017.
Ovid, Metamorphosen 2, 814–832