Universität Leipzig, Antikemuseum: Venus
Venus Universität Leipzig, Antikemuseum

Ovid, Metamorphosen 10, 243-297

Sunt tamen obscenae Venerem Propoetides ausae
esse negare deam; pro quo sua numinis ira
corpora cum forma primae vulgasse feruntur;
utque pudor cessit sanguisque induruit oris,
in rigidum parvo silicem discrimine versae.
Quas quia Pygmalion aevum per crimen agentes
viderat, offensus vitiis, quae plurima menti
femineae natura dedit, sine coniuge caelebs
vivebat thalamique diu consorte carebat.
interea niveum mira feliciter arte
sculpsit ebur formamque dedit, qua femina nasci
nulla potest, operisque sui concepit amorem.
virginis est verae facies, quam vivere credas
et, si non obstet reverentia, velle moveri;
ars adeo latet arte sua. miratur et haurit
pectore Pygmalion simulati corporis ignes.
saepe manus operi temptantes admovet, an sit
corpus an illud ebur, nec adhuc ebur esse fatetur,
sed credit tactis digitos insidere membris
et metuit, pressos veniat ne livor in artus.
et modo blanditias adhibet, modo grata puellis
munera fert illi, conchas teretesque lapillos
et parvas volucres et flores mille colorum
liliaque pictasque pilas et ab arbore lapsas
Heliadum lacrimas. ornat quoque vestibus artus;
dat digitis gemmas, dat longa monilia collo,
aure leves bacae, redimicula pectore pendent.
cuncta decent; nec nuda minus formosa videtur.
conlocat hanc stratis concha Sidonide tinctis
appellatque tori sociam acclinataque colla
mollibus in plumis tamquam sensura reponit.
Festa dies Veneris tota celeberrima Cypro
venerat, et pandis inductae cornibus aurum
conciderant ictae nivea cervice iuvencae,
turaque fumabant, cum munere functus ad aras
constitit et timide “si, di, dare cuncta potestis,
sit coniunx, opto”, non ausus “eburnea virgo”
dicere Pygmalion “similis mea” dixit “eburnae.”
sensit, ut ipsa suis aderat Venus aurea festis,
vota quid illa velint et, amici numinis omen,
flamma ter accensa est apicemque per aera duxit.
ut rediit, simulacra suae petit ille puellae
incumbensque toro dedit oscula: visa tepere est.
admovet os iterum, manibus quoque pectora temptat:
temptatum mollescit ebur positoque rigore
subsedit digitis ceditque, ut Hymettia sole
cera remollescit tractataque pollice multas
flectitur in facies ipsoque fit utilis usu.
dum stupet et dubie gaudet fallique veretur,
rursus amans rursusque manu sua vota retractat.
corpus erat; saliunt temptatae pollice venae.
tum vero Paphius plenissima concipit heros
verba, quibus Veneri grates agit, oraque tandem
ore suo non falsa premit; dataque oscula virgo
sensit et erubuit timidumque ad lumina lumen
attollens pariter cum caelo vidit amantem.
coniugio, quod fecit, adest dea, iamque coactis
cornibus in plenum noviens lunaribus orbem
illa Paphon genuit, de qua tenet insula nomen.

Doch des Propötus schamlose Töchter wagten, dass Venus göttlich sei, zu bestreiten. Weil die ihnen zürnte, verkauften jene zur Strafe als erste den Leib und die Schönheit, so heißt es. Als dann gewichen die Scham und das Blut erstarrt war im Antlitz, wurden sie – klein war der Schritt – in harten Kiesel verwandelt. Weil Pygmalion sah, wie diese verbrecherisch lebten, blieb er, abgestoßen durch Fehler, wie die Natur sie reichlich dem Frauencharakter gegeben hat, ohne Gemahlin, und schon lange hatte er keine Gefährtin des Lagers. Schneeweißes Elfenbein formte indes er mit seltnem Geschick und Glück und verlieh ihm ein Aussehn, wie keine Frau es auf Erden haben kann, und dabei verliebte er sich in sein Kunstwerk. Sie sieht wahrhaft aus wie ein Mädchen; man meint fast, sie lebt und will sich bewegen und nur die Sittsamkeit steht ihr im Wege: So verbirgt durch die eigene Kunst sich die Kunst. Er bestaunt sie, Feuer fängt seine Brust für den nachgebildeten Körper. Oftmals legt er ans Werk die Hände und prüft, ob’s ein Leib ist oder Elfenbein, will sich nicht eingestehn, dass es nur das ist, sondern glaubt, seine Finger versänken im Leib beim Berühren, ja hat Angst, dass blaue Flecken durch Pressen entstehen. Und bald schmeichelt er, bald überbringt er Geschenke, die Mädchen Freude bereiten können, wie Muscheln, geschliffene Steinchen, kleine Vögelchen, Blumen in tausend verschiedenen Farben, Lilien, bunte Bälle, dazu von den Bäumen getropfte Tränen der Heliaden. Er schmückt mit Gewändern die Glieder, gibt den Fingern Ringe und lange Ketten dem Hals, es hängt eine zierliche Perle am Ohr, an der Brust ein Geschmeide. Alles steht ihr; nicht weniger schön sieht’s aus, wenn sie nackt ist. Und er legt sie auf Decken, gefärbt mit sidonischem Purpur, nennt sie Gefährtin des Lagers und neigt ihr den Nacken und bettet diesen auf weichen Flaumfedern, so, als müsse er’s spüren. Nun war das Fest der Venus gekommen, begangen im ganzen Kypros, und Kühe, die krummen Hörner mit Gold überzogen, waren niedergestürzt, in den schneeweißen Nacken getroffen, Weihrauch dampfte: Da trat zum Altar nach dem Opfern Pygmalion, zaghaft sprechend: ›Ihr Götter, vermögt ihr alles zu geben, sei meine Gattin, ich wünsch mir’s‹ – ›das Elfenbeinmädchen‹ zu sagen, wagte er nicht, er sprach: ›meiner elfenbeinernen ähnlich.‹ Venus, die Goldene, die beim Fest dabei war, verstand, was dieses Gebet bedeutete; dreimal erhob sich – zum Zeichen, dass die Gottheit ihm hold sei – züngelnd die Flamme zum Himmel. Als er zurückkommt, eilt er sogleich zum Standbild des Mädchens, wirft sich aufs Lager und gibt ihr Küsse: Ihm scheint’s, dass sie warm wird. Wieder legt er den Mund an, berührt auch die Brust mit den Händen: Weich wird das Elfenbein, als er’s berührt, verliert seine Starrheit, gibt seinen Fingern nach und weicht, wie hymettisches Wachs vom Sonnenlicht weich wird, sich dann mit dem Daumen zu vielen Gestalten formen lässt und formbarer wird gerade durchs Formen. Während er staunt und sich zweifelnd freut, sich zu täuschen befürchtet, prüft mit der Hand der Liebende wieder und wieder sein Wunschbild. Fleisch und Blut ist’s; geprüft vom Daumen, pochen die Adern. Dann aber dankt der Held aus Paphos der Venus mit Worten, die ihm aus vollstem Herzen kommen, und drückt seine Lippen endlich auf wirkliche Lippen. Das Mädchen verspürte die Küsse, wurde rot und erhob ihre scheuen Augen zu seinen Augen und sah zugleich mit dem Himmel den Mann, der sie liebte. Selber steht der Ehe die Göttin bei, die sie schuf. Schon neunmal hatten die Hörner des Monds sich zur Scheibe gerundet, da gebar sie die Paphos, nach der die Insel benannt ist.

Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, lateinisch-deutsch, übersetzt von Niklas Holzberg, Berlin 2017.

Ovid, Metamorphosen 10, 243-297